Montag, 9. August 2010

Dirk Darmstaedter - "Dirk sings Dylan"

Erinnert sich noch jemand an die Jeremy Days oder ihren Hit "Brand New Toy"? Ich meine: Immerhin wurden die Hamburger rund um Sänger/Gitarrist Dirk Darmstaedter Mitte der 80er auch schon mal als "die deutschen Pilzköpfe" gehandelt. Also sollten auch Beatles-Fans nicht völlig verloren mit ihren Armen wedeln, wenn diese Namen fallen.

Nach der Auflösung der Band Mitte der 90er blieb Darmstaedter der Musik treu und kämpft seitdem als hemmungslos melodiöser und wahrscheinlich unverbesserlich optimistischer Songschreiber um das musikalische Überleben in einem unwirtlich digitalen Musikzeitalter. Der Erfolg ist, soweit ich das beurteilen kann, mal so, mal so. Von seinen Live-Auftrítten, ob alleine oder in kleiner Besetzung, höre ich eigentlich nur Gutes. Und in seinem Online-Shop unter http://www.dirkdarmstaedter.com/ gibt es jede Menge akustischer Juwelen zu entdecken. Mein persönlicher Tipp dabei: Die "Original Podcast"-Serie, bei der es jede Menge Überraschungen zu entdecken gibt. Und durchaus auch "Dirk sings Beatles"!

Gerade aktuell (wenn auch nicht mehr ganz neu) im Darmstaedter Fühl-Regal: "Dirk Sings Dylan".

Er selbst (oder sein Pressemensch) lässt sich auf seiner Website wie folgt über die CD aus:

================ schnipp ===================
"A man is a success if he gets up in the morning and gets to bed at night, and in between he does what he wants to do." (Bob Dylan)

Im Leben eines jeden Musikers kommt wohl der Zeitpunkt, an dem er nicht drum herum kommt, einem der, wenn nicht dem Größten seinen Tribut zu zollen. Ob Elvis oder die Ramones, ob Nick Cave oder die White Stripes, nun also Dirk Darmstaedter.

Mit diesem Projekt erfüllt sich Dirk Darmstaedter einen lang gehegten Traum: Eine Veröffentlichung, die gänzlich dem Schaffen des "Sängers und Tänzers" (so Dylan über Dylan) aus Duluth, Minnesota gewidmet ist.

Selbst aufgewachsen in den USA, schöpfte Darmstaedter Zeit seines musikalischen Wirkens aus den gleichen musikalischen Quellen wie der Maestro selbst, als da wären: Folk, Hillbilly, Bluegrass, Country Blues, Rhythm and Blues, Rockabilly etc. Dies und ein nahezu enzyklopädisches Wissen um das Werk des großen Bob prädestinieren Darmstaedter wie keinen anderen Künstler für dieses Projekt. Wo jedoch die Gefahr besteht, in Ehrfurcht zu verharren und die Beschäftigung mit dem Idol zu reinem Kunsthandwerk verkommen würde, schafft es Darmstaedter, den Songs einen eigenen Dreh zu geben, die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf andere Aspekte zu lenken und so einen neuen Blickwinkel (wenn man im Zusammenhang mit Musik von Blickwinkel sprechen kann … aber Hörwinkel?) selbst auf Klassiker zu ermöglichen. Eben der entscheidende Unterschied zwischen „Nachspielen“ und „Interpretieren“. Darmstaedters Versionen der Dylan-Songs passen nahtlos in die Reihe anderer, inzwischen aus dem Kanon der Popmusik nicht mehr wegzudenkenden Einspielungen von Dylan-Songs. Ob sich Darmstaedters cool rockende Version vom "Subterranean Homesick Blues" oder das herzergreifende/herzerweichende "He Was a Friend of Mine" (im Original erschienen auf der Bootleg Series1-3) als ebensolche Klassiker wie die grandiosen Byrds-Versionen oder wie Nancy Sinatras "It ain´t me, Babe" erweisen werden, wird die Zeit zeigen. Das Potential dazu haben sie.

Unterstützung erhielt Darmstaedter bei den Aufnahmen zu "Dirk sings Dylan" durch Paul Hiraga von der US-amerikanischen Folk/ Country Band Downpilot sowie dem Hamburger Cellisten Hagen Kuhr und Darmstaedter‘s „favorite drummer on earth“ Lars Plogschties.

Mit dem Nobelpreis für Literatur hat es für Bob Dylan dieses Jahr wieder nicht geklappt. Ob sich der Literat Dylan deshalb grämt, ist nicht bekannt. Dass seine Songs jedoch nach Jahrzehnten ("All I Really Want To Do" erschien bspw. 1964 auf dem Album "Another Side of Bob Dylan") von talentierten jüngeren Kollegen aufgenommen werden, dürften den Folksinger Dylan für die Nichtberücksichtigung durch das Stockholmer Komitee entschädigen.

================ schnapp ===================
Das erste Stück hat mich zunächst schlicht irritiert. Zur Westerngitarre und bewaffnet mit Raspelstimme und Mundharmonika kommt "All I really Want To Do" fast authentischer als das Original von 1964. Wie einige wissen bin ich ja grundsätzlich kein allzu großer Freund von Cover-Versionen. Wobei man bei Dylan-Coversongs gelegentlich eine Ausnahme machen kann. Schließlich ist der Meister des lakonischen Interviews nicht gerade mit einer allzu wandlungsfähigen Stimme gesegnet. (Anm.: Beschwerde-Mails bitte an jemand anders...) Mitten im Song dann plötzlich Bass und Schlagzeug und damit ein willkommener Arrangementwechsel. So bleiben Cover-Versionen natürlich spannend...!

Als nächstes eines meiner Lieblings-Dylan-Machwerke: "Der unterirdische Heimweh-Blues". Vielleicht sogar etwas mehr an der 74-Nilsson-Version angelehnt als am Original. Gei-lo-mat! So bringt Dylan richtig Spaß. Auch durch die verschmitzten Gitarren-Einsprengsel, das luftig-fidele Schlagzeug und die fröhlich durchs Klangbild tanzende Blues-Harp. Mehr davon!

Nee, is nich. Stattdessen der introvertierte Freund spanischer Lederschuhe. Das ist natürlich Dylan pur. Und es verblüfft, wie gut sich Darmstaedter das dylaneske Idiom angeeignet hat. Man hört unwillkürlich das Lagerfeuer knistern, irgendwo klatscht genau eine Welle an den einsamen Strand und nicht allzu weit entfernt verschwindet die Dame des Herzens in einer Nebenstrasse - um nie wiederzukehren. Auch hier herrscht spartanisch-einfühlsames Arrangement vor, ein allein gelassenes Cello kurz vor dem Lautstärke-Exitus, eine Mundharmonika, die fast schon hinter Wolke Nummer Neun verschwindet und die pure Resignation vor den Mächten des Schicksals in Darmstaedters Stimme.

Bei Liedern wie "Sad-eyed Lady" oder "Simple Twist Of Fate" kriegt der geneigte Hörer genau die traurigen Augen, die er erwartet. Und zugegeben: Manchmal greint mir Darmstaedter zu viel. Auch wenn dies unter dem Punkt Original(ität) zu verbuchen ist, ich hätte es lieber noch etwas origineller gehabt. Wie etwa bei "It ain't me, babe", das mit einem höchst überraschenden Zwischenspiel überrascht und mit mehr Spannung als das Original - was meinen Musikgeschmack betrifft jedenfalls. Primstens.

Insgesamt zeigt es mir einmal mehr, dass Dylan einfach gut zu covern ist (oder gut zu Covern?). Die Originale sind oft ungeschliffene Bruchstücke einer mittlerweile doch langsam verblassenden Genialität. Und die Byrds, Jimi Hendrix, Joan Baez und wer auch sonst noch haben ihnen manchmal den Schliff verpasst, den sie brauchten (und verdienten) um sich für immer im Gedächtnis einer Generation (oder sind es doch mehrere?) zu verankern.

Jetzt hat auch Dirk Dylan gesungen - und gespielt.

Gut so.

Findet:
Rugglesby

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