Sonntag, 11. Juli 2010

The ReBeatles Project: „Get Back!“ – Keine Zeitreise funktioniert ohne richtigen Treibstoff

(AB) Beatles-Enthusiasten kennen das vielleicht: Da hat man ein Konzert einer Coverband besucht, kommt anschließend am Merchandising-Stand vorbei, schaut interessiert, entscheidet sich aber letztlich gegen den Erwerb einer CD der Band. Wozu sollte man sich nah am Original orientierte Songs anhören, wenn man jederzeit das unschlagbare Original auflegen könnte? Aus diesem Blickwinkel betrachtet hat „Get Back!“, das aktuelle Album des ReBeatles Project seine Daseinsberechtigung, denn: Es ist mehr als ein bloßes Nachspielen von bekannten Beatles-Kompositionen.

Der Pressetext lockt mit der Aussage, dass das ReBeatles Project „die großen Popsongs der letzten Jahre im Stile der Sixties und ihrer größten Band“ interpretiert und damit „den Pop wieder zu seinen Ursprüngen“ zurückführt. Das hört sich erst einmal gut an, doch beim Blick auf die Titel stellt man sich unweigerlich die Frage,  ob man da wirklich die Glanzlichter der moderneren Popmusik versammelt hat. Eine krude Mischung von Pink, Winehouse und Gaga (das soll natürlich ziehen), über die Thompson Twins (wer war das noch gleich?) bis hin zum immerhin 29 Jahre alten „Happy Birthday“ von Stevie Wonder. „Get Back!“ wartet allein mit satten fünf Titeln aus den Achtziger Jahren auf. Von „Popsongs der letzten Jahre“ kann also nur sehr eingeschränkt die Rede sein.

Die musikalische Umsetzung fiel leider recht einseitig aus. Es überwiegen Flair und Sound der ersten Beatles-Alben, der unbekümmerte, fröhliche Beat der ersten Hälfte der Sechziger. Selbst die beiden aus dem Spätwerk der Band entliehenen Songs erklingen im Beat-Gewand: Stevie Wonders „Happy Birthday“ bekam origineller Weise den musikalischen Stempel des „White Album“-Rockers „Birthday“ aufgedrückt, während die furiose Robbie Williams-Nummer „Let Me Entertain You“ mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ gekreuzt wurde. Beide Interpretationen erklingen weder rockig noch furios, sondern bleiben erschreckend zahm und damit hinter den Erwartungen zurück.
Das ReBeatles-Project bediente sich ausgiebig im Rezeptbuch der frühen Beatles: Hier ein paar „Ooohs“ und „Aaahs“, der beliebte Dialog zwischen Lead- und Harmoniegesang (vgl. „Help!“ oder „Can’t Buy Me Love“ etc.), ein paar klassische Ringo-Fills hier, ein paar klassische George-Licks da – fertig ist der Coverkuchen. Dabei sind die Anleihen im Beatles-Katalog nicht immer offensichtlich und geben ein ums andere Mal Anlass zum Rätseln – was durchaus Spaß macht.

Gehen wir die Songs durch: Nur sehr leichte, teilweise nur angedeutete Zitate enthalten Christina Aguileras „Beautiful“ („Run For Your Life“/“Help!“), Amy Winhouses „Rehab“ („One After 909“), Culture Clubs „Do You Really Want To Hurt Me“ („It Won’t Be Long“/“I Want To Hold Your Hand“), Lady Gagas „Poker Face“ („Michelle“), Ian Broudies & Baddiel & Skinners „Three Lions“ („All My Loving“) und schließlich U2s Klassiker „One“ („Norwegian Wood“), der in dieser Interpretation auch leichte Sitar-Begleitung erhielt. „One“ ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen (vermutlich) „Paul“-Darsteller Martin Schurig den Leadgesang übernimmt. Dabei kann er leider nicht verhehlen, dass er kein „native speaker“ ist und brilliert mit hartem deutschen Akzent. Überhaupt sind die Leadstimmen ein Schwachpunkt dieses Albums. Während man der instrumentalen Umsetzung solides Handwerk attestieren kann, bleiben die Stimmen leider farblos. Sowohl Lennon als auch McCartney verfüg(t)en über äußerst wandlungsfähige Stimmen, die die gesamte Palette abdeckten vom zarten Schmelz bis zum markerschütternden Reibeisen. Besonders eintönig wirkt der Gesang von „John“ Andreas Kohlenberg, der die Leadstimme beim Großteil des Albums übernommen hat. Keine nennenswerte Parallele zu Beatles-Songs weist der Disco-Stampfer „Around The World“ von Alex Christensens Pop-Vehikel ATC auf. Das ReBeatles Project macht das stupide Machwerk  mit ihrer Interpretation halbwegs erträglich.
Deutlich erkennbare Vorbilder aus dem Beatles-Oevre sind auszumachen in Pinks „Get The Party Started“ („Love Me Do“), The Beastie Boys „Fight For Your Right“ („Money“), The Bangles’ „Eternal Flame“ („This Boy“) und in The Thompson Twins’ „Hold Me Now“ („Please Mister Postman“). Hier war es offenbar einfach, beide Elemente miteinander zu verbinden.

Schließlich enthält „Get Back!“ mit I Want You (To Say)“ noch ein von Kohlenberg und Schurig geschriebenes Eigengewächs. Damit erfüllten sich beide Musiker sicher einen großen Wunsch, hinterlassen mit ihrem Songs allerdings keinen besonderen Eindruck.


Fazit: Ein durchaus interessantes, wenn auch nicht neues Konzept. Empfohlen sei hier insbesondere das Album der kalifornischen Parodisten von Big Daddy, die den Spieß umdrehten und gekonnt und witzig das „Sgt. Pepper“-Album der Beatles im Stil der Fünfziger Jahre interpretierten. Die guten Momente bei „Get Back!“ sind hingegen überschaubar. Das „Welcher Song bin ich?“-Spiel ist recht amüsant, die Songauswahl jedoch problematisch und leider verpuffen einige gelungene Ideen und Ansätze zu schnell durch die gesanglichen Grenzen der Protagonisten sowie durch das zuweilen fehlende Feuer im Arrangement.

Dennoch ... steht man vor der Frage: Kaufe ich mir die CD der ReBeatles mit ihrem aus Beatles-Coverversionen bestehenden Bühnenprogramm oder das als Projekt ausgerufene aktuelle Album mit Songs aus dem Pop-Beat-Labor, dann kann es nur heißen: „Get Back“.

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